Donnerstag, 14. Juli 2016

Mein Standesamtkleid oder wie nähe ich ein Rockabilly-Kleid ohne Schnittmuster



Als wir beschlossen hatten, zur standesamtlichen Trauung im 50er Jahre Stil zu kommen hatte ich nicht erwartet, dass ausgerechnet die Kleidersuche so schwer sein wird. Vorweg gesagt, ich habe ein blaues tolles Petticoat-Kleid zuhause, welches unglaublich schön ist - aber halt blau. Und eins war definitiv klar, ich heirate in rot mit weißen Punkten! Also fiel das Kleid von zuhause weg (sowieso doof was altes zu nehmen, ich liebe ja shoppen). Aus Zeitmangel shoppte ich mich erstmal quer durch das world wide web und bestellte die einschlägigen großen Verkaufsportale leer. 

Zum Glück gibt es die Erfingung "kostenloser Rückversand"...nichts passte. Und nicht nur das nicht, es hatte nichts auch nur annähernd die Qualität oder das Aussehen von MEINEM Wunschkleid. Natürlich hätte ich mir eins für extrem teures Geld aufwendig anfertigen lassen können (und Ja, diese Arbeit wäre das Geld wert), da ich aber für zwei Stunden tragen zu geizig war jenseits des dreistelligen Betrages zu investieren fiel diese Möglichkeit weg. Nun gut, ich hatte also zig Kleider an, welche alle nur zu schweren Nervenzusammenbrüchen führten und nicht zu dem seeligen Glücksgefühl welches ich bei meinem weißen Brautkleidkauf verspührte. 

Also Planänderung, nun doch Zeit finden und los gehen. Ab in die Stadt, hey wir wohnen in Hamburg da sollte es doch nicht so schwer sein. Wenn man aber erst um 19 Uhr in der Stadt ankommt, weil man ja nunmal berufstätig ist, dann fallen schonmal diverse Geschäfte weg. Ich also irgendwann völlig frustriert und schlecht gelaunt mir ausgemalt wie ich in Jogginghose zum Standesamt muss. Mit genau dieser Einstellung gingen wir dann in das letzte Geschäft. Preise jenseits von gut und böse und meine Größe sowieso schonmal gar nicht vorhanden. Aber wer Schuhe 2 Größen größer kauft weil sie doch sooo schön sind, der lässt sich von sowas nicht abschrecken. Ich hab ja schließlich eine Nähmaschine, man kann ja schließlich noch ändern....jaaaa genau. So also in ein XL Kleid gestiegen- kurzer Schock moment, es rutschte nicht mal! Dann das gesmokte Rückenteil und deren Wirkung bewundert und beschlossen - ach die paar Zentimenter nähe ich doch mal eben enger. Den also viel zu überteuerten Preis, für ein Kleid welches vier Nummern zu groß war bezahlt und ab nach Hause.

Das kurze Glücksgefühl wich bereits auf dem Weg nachhause einer eher nachdenklichen Stimmung. Zuhause dann dem Göttergatten ziemlich verunsichert vorgeführt (nur das weiße war geheim) und dann mit den Worten "das wird schon" auf den Haufen für das nächste Nähtreffen geworfen. Die Mädels dort haben mir dann endlich den Kopf gewaschen und mir gezeigt, dass es eben nicht mit zwei Nähten mal eben gemacht ist, wenn ein Kleid Abnäher im Oberteil hat! Nach einem weiteren mittelschweren Nervenzusammenbruch dann ab ins Auto - wir kaufen jetzt Stoff! 

Niemals nie wäre ich alleine auf die Idee gekommen mein liebstes Lieblingskleid von zuhause als Vorlage zu nehmen und es einfach selbst zu nähen. Nein sowas kann ich nicht. Aber ich habe ja gott sei Dank diese unfassbar tolle Truppe mit denen ich regelmäßg nähe. Und dank deren kräften Tritt in meinen zarten Popo habe ich mir mein eigenes Hochzeitskleid genäht, mit seeligem Glücksgeführ und Tränen in den Augen meines Mannes!

Wie ich das gemacht habe und woher ich die entsprechenden "Zutaten" hatte habe ich euch mal zusammen gefasst:

Man kaufe soviel von dem Wunschstoff wie irgendwie möglich! (Ja ich habe noch genau den Rest vom Ballen ergattert) In meinem Fall knappe 2 Meter. Uff das wird Milimeterarbeit... 

...man nehme ein Lineal, Zettel und Stift sowie das Kleid, welches man kopieren möchte. Und dann misst man jedes einzelne Teil millimeter genau nach und macht sich davon Schnittteile. Weil zerschneiden wollte ich das gute Stück ja auch nicht. 

Als ich dann die ganzen Schnittteile vor mir liegen hatte, habe ich aus dem Reststoff den Teller ausgeschnitten für den Rock. Dafür nimmt man einen Stift und ein Maßband und faltet den Stoff in der Mitte. Dann spannt man von deinen Ecke das Maßband bis zum äußersten Rand des Stoffes und malt wie mit einem Zirkel einen halb bzw viertel Kreis. Je nachdem wie oft man gefaltet hat vorher. Dann einfach noch einen kleineren Kreis der in etwa den Umfang der Taille haben sollte. Und fertig ist der Teller.

Dann kommt das smoken der Rückenteile, das hatte ich vorher auch noch nie gemacht. Ich war aber irgendwie so beflügelt und motiviert - also los. Gummifaden auf die Unterfadenspule gespult und dann ganz viele Linien genäht. Die Linien sollten quer verlaufen und nicht hochkant, da entsprechend später der Stoff "kleiner" wird bzw. sich dehnt. Den Gummifaden bekommt ihr bei mir im Laden oder hier.

Da ich auch so tolle Paspeln haben wollte zwischen den Teilen, musste ich dann alle einzelnen Schnitteile für das Oberteil mit einer Paspel versehen - Paspeln annähen kann ich jetzt rückwärts im Schlaf!

Dann kamen die Belege für den Ausschnitt, die habe ich mit Vlieseline H250 verstärkt. Bei meinem ersten Versuch habe ich das Taillenband noch nicht verstärkt, aber dazu gleich mehr.

Das Nähtreffen war dann vorbei und ich musste zuhause alleine ran. Nachdem ich alle Teile miteinander verbunden hatte, wobei einem ständiges Bügeln wirklich hilft (übrigens das Mini-Bügeleisen von Prym ist da Gold wert), habe ich es angehalten und es war zu eng. Erneuter Nervenzusammenbruch. Nach Rücksprache mit vielen lieben Nähfreunden ein zweiten Versuch gewagt und anstatt zu ändern, das Oberteil komplett ein zweites Mal genäht, es wurde echt perfekt nur leider zu groß. Irgendwie sollte es mir nicht einfach gemacht werden. Da ich aber langsam in Zeitnot geriet wurde es diesmal abgeändert und dann passte es. Also Rockteil an das Oberteil genäht, nahtverdeckten Reissverschluss eingenäht und fertig! 

Beim nächsten Nähtreffen habe ich noch zwei Träger drangenäht, da es dann besser sitzt bzw. der Ausschnitt besser aussieht. Es passt perfekt und macht mich trotz vielleicht kleinerer Fehler wirklich glücklich. Es ist mein erstes Projekt in diesem Ausmaß, ganz ohne Anleitung und mit selbst hergestellten Schnittteilen. Auch war Webware bisher ja nicht ganz so mein Freund. Da mag ich mein Jersey, welches auch mal unsauberes nähen verzeiht.

Ich hoffe es gefällt euch so sehr wie mir <3 Nur was nähe ich jetzt?




Stoff: alles-fuer-selbermacher
Paspel: Fadenmonster
Reissverschluss: Fadenmonster

Anleitungen:

Nahtverdeckter Reissverschluss - Youtube
Smoken - von meiner Nähfreundin Nina (Vielleicht mache ich da mal einen eigenen Post mit Anleitung? Ansonsten hat Pattydoo eine tolle Erklärung, welche ihr hier findet.

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